Die PR-Abteilung der Piratenfraktion NRW und ich haben heute gemeinsam vier Bild/Text-Kombos gewählt, die (wie immer) zusammen Aufmerksamkeit erzeugen sollten. Eine Sexarbeiterin, einen Sexarbeiter, eine Politikerin und einen Politiker, jeweils mit einem Balken und einem Zitat (s.o.) über dem Gesicht. Über die Reihenfolge lässt sich trefflich streiten, schließlich hat das erste Bild viele Reaktionen ausgelöst.
Ich habe anscheinend das falsche Wort gewählt: bei der Entstehung der Bilderreihe habe ich mich beraten lassen und mir wurde gesagt, die Eigenbezeichnung “Nutte” sei korrekt – allerdings ist die Eigenbezeichung “Hure” wohl geläufig, womit ich dann mit meiner Wahl ins Klo gegriffen habe!
…und dann kam Twitter…
Ich finde es erschreckend, dass jetzt nur über Bildwahl und Text diskutiert wird und nicht über das angesprochene und dahinter liegende Problem. Aber so ist die Welt…
Ich soll es überzogen haben, zu weit gegangen sein, keine politischen Aussagen mehr haben, stattdessen sexistische Bilder posten, ein Chauvinist sein und gesellschaftliche Gruppen “dissen”.
Ja, das tue ich! Ich “disse” Politiker und Parteien, die aus ihrer Position Kapital schlagen – die meistgelesene Pressemitteilung seit Monaten! Ich stehe zu der Aussage, das sich Politiker als Politiker nicht für Geld verkaufen dürfen. (Nein! Auch ihre Dienstleistungen nicht! (Redehonorare anyone?)).
Finde ich gut, dass man heutzutage provozieren muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen? Nein!
Kann ich an dieser Tatsache etwas ändern? Nein!
Will ich das Polemische und die Kritik am System tatsächlich der AfD überlassen? Nein!
Kämpfe ich auf allen Ebenen für mehr Freiheit und mehr Selbstbestimmung? Ja!
Wollte ich Sexworker “dissen”? Nein!
Es war nicht meine Intention, damit eine/n Sexarbeiter/in zu “dissen”, anzugreifen, zu beleidigen, geschweige denn den wichtigen Beruf der Sexarbeiter weniger Wertzuschätzen, als den Job eines Politikers. Fühlt sich ein/e Sexarbeiter/in davon verletzt, bitte ich dafür um Entschuldigung.
Fühlt sich aber nur ein einziger Politiker peinlich angesprochen: In your face! Da sollte es hin!
Wo wir gerade bei “wollt ich nicht” sind: ich hatte auf Twitter geschrieben, dass die bessere Bezeichnung “Söldner” gewesen wäre, weil diese anderen Schaden. Ich bin also potentiell einer derer, die nicht über den Inhalt, sondern über den Text geredet haben.
Ich möchte das kurz einordnen: mein Kommentar war weniger im #aufschrei Sinne jammernd gemeint, sondern eher bestärkend: Ja, lasst sie uns beschimpfen, und lasst ruhig noch drastischere Worte finden, weil “Nutte” irgendwie nicht wirklich beleidigend ist, wenn man eher Liberal ist.
Ich wollte explizit NICHT im Namen einer anderen Berufsgruppe beleidigt sein.
“Ich stehe zu der Aussage, das sich Politiker als Politiker nicht für Geld verkaufen dürfen. (Nein! Auch ihre Dienstleistungen nicht! (Redehonorare anyone?)).”
Das ist wohl unstrittig. Aber das haben andere auch schon gesagt und hat so für sich begrenzten Nachrichtenwert.
Die Kritik richtet sich explizit an die Aufmachung, den Vergleich, die Wortwahl Deines Beitrags.
Muss man heute provozieren “wie die AfD”? Nun, wenn man der Ansicht ist, genau wie sie so wenig Inhalt zu haben, dass man Übertreibungen, Provokation und Wutmache verwenden muss, dann vielleicht.
Ist das gute Medienarbeit? Nein. Denn guck mal da: Alle reden über die Provokation, keiner mehr über das dahinter liegende Thema. Genau wie bei der AfD. Deren antisoziale Programminhalte beachtet auch keiner, thematisiert keiner, solange man sich über die Provokationen trefflich echauffieren kann.
Der echte Inhalt Deines Beitrags ist dieser eine Satz da oben. Und der ist ein “me too”. Keine weiteren Aussagen, keine besseren Lösungen, keine Verknüpfung mit besseren Regelungen bei den Piraten, etc.
Mit anderen Worten: Für eine inhaltliche Aussage von nahezu 0 hast Du stattdessen Aufmerksamkeit auf einen abwertenden, völlig fehlgeleiteten Vergleich gelenkt, der intern und extern abgelehnt wird und höchstens politischen Gegnern in die Hände spielt. “Guckt mal, wie sexistisch die posten”.
Doch, hier gibt es Inhalte:
https://www.piratenfraktion-nrw.de/2016/11/politiker-sind-keine-nutten/
Hätte er auch in diesen Beitrag einbauen können.
Man kann auch provozieren ohne andere zu diskriminieren… Das ganze jetzt auf die Wortwahl zu reduzieren zeigt eigentlich nur, dass nicht verstanden wurde worum es eigentlich geht: sexarbeit als etwas schlechtes und verwerfliches darzustellen. Es mit Korruption (eine Straftat) auf eine Stufe zu stellen. Das Wählen diskriminierender Sprache ist dann auch schon fast egal.
Die Auswahl hat ein ganzes Team vorgenommen? Das hätte ich ehrlich nicht gedacht. Ich halte diese “Kampagne” weiterhin für völlig geschmacklos. Du beschwerst Dich darüber, dass niemand auf den Inhalt eingeht: Das liegt vielleicht daran, dass die (wie ich es werte) Geschmacklosigkeit jeglichen Inhalt übertüncht.
Moin Michele, Danke für Deine erklärenden Worte hier. Von mir aus stellt sich nicht wirklich ein Problem dar, denn die Bezeichnung Nutte und die dazugehörigen Bilder beziehen sich ja auf die Denke des Poliker einkaufende Klientel. Um die Verwerflichkeit auzuzeigen war und ist Deine gewählte beschreibend darstellende Ausdrucksweise vielleicht nicht ganz glücklich, im Kontext Deiner Rede aber zulässig und wirksam. Kurz: besser konnte nicht auf das zu verurteilende Lobbywirken hingewiesen werden. Danke nochmals Dafür. Uwe Kopec