Die Terroristen haben gewonnen

Ich gehe selten auf Demonstrationen. Bis vor einigen Monaten waren Demoteilnehmer für mich in der gleichen Kategorie, wie Videotheksbesucher, als ich noch 15 war. Irgendwie obskur, sich auf die Straße zu stellen und für oder gegen irgendwas zu demonstrieren. Bringt ja eh nix und man hat immer Ärger mit der Polizei. Die repräsentiert den Staat und der hat immer Recht!

Genau so wenig wie alle Besucher eine Videothek sich Schmuddelfilme ausgeliehen haben und mein erstes Mal selber einen Film leihen mir die Augen geöffnet hat, habe ich auch erkannt, dass demonstrieren ein Grundrecht ist und ihm daher nichts schmuddeliges anhängt.

Auf Drängen einer “gewissen Person”(tm) habe ich mich am Samstagmorgen um 4 in den Zug gesetzt und bin nach Stralsund gefahren. Eine Symbolträchtige Demo sollte es werden, vor dem Wahlkreisbüro der Abgeordneten Dr. Angela Merkel. Gegen PRISM, gegen Tempora, für Freiheit für Bradley Manning und Edward Snowden (das waren alle Schlüsselworte, liebe NSA!). Etwa 100 Leute aus ganz Deutschland waren angereist, um dem Beschaulichen Stralsund eine gute Demo zu liefern, die sich in den Köpfen festsetzt.

Eins vorab: Die Polizei war beim Demonstrationszug nicht einmal dabei. Völlig abwesend, weder den Verkehr regelnd, noch uns kontrollierend. Das war eine Premiere an Vertrauen für mich.

Schade aber: Das einschneidenste Erlebnis ist dadurch entstanden, denn so ein Touristen-Bummelzug-Dings fuhr plötzlich mitten durch die Demo und trennte uns in zwei Teile. Nicht nur, dass ich eine Nasenlänge vom Fensterglas erstmal völlig erschrocken war, wie dreist der Fahrer war. Der Wagen hält auch noch an und der Fahrer brüllt raus: Hört doch auf hier so einen Quatsch zu machen. Das bringt doch eh nix!

Plötzlich wurde mir etwas klar, von dem ich vorher auch nur ein schmuddeliges und diffuses Gefühl hatte: Die Terroristen haben gewonnen. Sie haben ihr Ziel erreicht.

Ständig hören wir von immer neuen Horrormeldungen aus dem Ausland, immer wieder sterben Menschen durch Terror, schon wieder ein Selbstmordanschlag. Immer wieder bekommen wir gesagt, dass ein Anschlag verhindert wurde und wir alle kurz vor dem Exodus stünden, wenn die Behörden nicht immer weitergehende Möglichkeiten hätten.

Die Menschen haben inzwischen aufgegeben. Ja dann werden wir eben überwacht, dann ist halt die Abteilung Horch & Guck an jeder Ecke. Merkel, Friedrich und Co. schaffen mit jedem neuen Gesetz ein beständiges Gefühl der Unsicherheit. Wir werden schon lange mit Angst regiert, aber jetzt ist diese sogar in den Köpfen derjenigen angekommen, die sich bislang gewehrt hätten! Der Frosch im Wasserglas ist langsam gekocht worden.

Doch wenn wir ständig in Angst – in Terror – leben und alle viere von uns strecken, weil es „eh nichts mehr bringt“, haben dann nicht die Terroristen genau das erreicht, was sie erreichen wollten? Wir stimmen der Aushöhlung unserer Grundrechte zu, weil wir Angst vor einem vielleicht geplanten möglichen Eventualanschlag haben. Wir geben alle unsere Rechte auf und lassen uns in einen Überwachungsstaat führen, weil uns immer wieder eingebläut wird, dass der Äußere Feind uns alle töten wird.

Die letzten, die in einer solchen Situation standhaft gekämpft und sich bis zum Schluss mit ihren Mitteln gewehrt haben, waren die Männer und Frauen der SPD 1933. Auch da sollten alle zusammenstehen, mehr Macht an den Staat abgeben, in ständigem Ausnahmezustand leben und alles und jeder wurde bewacht.

Soweit darf es nie wieder kommen. Der Terror in den Köpfen muss aufhören. Die Wahrscheinlichkeit in einem Autounfall zu Tode zu kommen ist 3.500x höher, als tödlich von einem Terroranschlag betroffen zu sein. Trotzdem haben wir weder ein Tempolimit, noch stehen die Staatsschützer vor Kindergärten und Schulen und fischen die Raser raus. Selbst im eigenen Metier versagen sie: im Jahr 2012 wurden in Deutschland XXX Menschen von Neonazis erschlagen. Wie viele Terroropfer hatten wir nochmal?

Die Länder mit der flächendeckensten Überwachung (Großbritannien und die USA) schaffen es nicht, Anschläge wie auf den Boston Marathon zu verhindern. Intelligente Attentäter werden IMMER unter dem Radar fliegen und nicht auffallen, bis es zu spät ist. Die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen und jegliche Kommunikation zu überwachen kann daher nicht der richtige Weg sein, stattdessen muss auf Prävention und die gute alte Polizeiarbeit gesetzt werden. Das zu fordern, sind wir auf die Straße gegangen. Denn der Staat hat nicht immer Recht. Er irrt hier ganz gewaltig!

Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, der hat schon verloren.

1 Comment

  1. Llarian1. August 2013

    Guter Kommentar! Was das Vertrauensverhältnis mit der Polizei angeht, so ist es in Köln ähnlich gut. Ein Einsatzwagen, vier Beamte, die die Straßenkreuzungen für den Demonstrationszug sicherten. So sollen Demos sein! Die Beamten haben dann am Ende der Abschlußkundgebung auch reichlich Applaus von den Demonstranten bekommen

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