Über ein Gutachten

Na also. Da ist es wieder. Pünktlich zum Osterfest hat die Piratenpartei in NRW ein neues Gate! Nach der aktuellen Faktenlage hat der Landesvorstand vorsätzlich ein Gutachten zurückgehalten, dass Nichteinhaltung der Einladungsfrist zur Aufstellungsversammlung sehr kritisch sieht und aufzeigt dass es mit der Gültigkeit der Landesliste Probleme geben könnte. Dieses Gutachten lag dem Landesvorstand anscheinend bereits vor Durchführung der AV vor, jedoch wurde die Veröffentlichung vorsätzlich verzögert, aus nicht weiter genannten Gründen.

Im Landtag NRW kritisieren die @20Piraten regelmäßig, dass die Regierung Gutachten zurückhält, welche nicht ihrer Meinung entsprechen. Jetzt haben wir einen sehr ähnlich gelagerten Fall im eigenen Landesvorstand. Konkret nimmt sich ein Informatiker heraus, besser über eine juristische Fach Einschätzung beurteilen zu können, als der begutachtende Jurist. Ich frage mich, wie wir im Landtag so weiter argumentieren können?!

In einem veröffentlichten Briefwechsel fällt der Vorschlag, das Gutachten so lange zurückzuhalten, bis weitere Informationen an den Juristen gegeben wurden um das Gutachten in die „richtige“ Richtung zu verändern. Warum der beauftragte Anwalt nicht sofort alle Informationen bekommen hat bleibt unklar.

In solchen Situationen frage ich mich immer wieder, ob auch in unserer Amtszeit eine solche Fehleinschätzung möglich gewesen wäre. Da niemand unfehlbar ist, kann ich das für die Entscheidung pro Durchführung der Aufstellungsversammlung nicht ausschließen, aber ganz klar sagen, dass bei uns die Meinung des extra beauftragen Fachmanns etwas gezählt hätte. Vor allen anderen Dingen wäre das Gutachten nicht so lange nichtöffentlich geblieben.

Ich persönlich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass eine Person in diesem Vorstand die Macht hat, ein solches Gutachten einfach zurück zu halten. Ein einziger (ehrlicher/mutiger) hätte gereicht und per pastebin wären die Informationen öffentlich gewesen. Das der ganze Vorstand dicht gehalten hat spricht doch Bände. Die Mädels muss man nicht auf Unterlassung verklagen, dass machen die schon von ganz alleine…

Ich bin persönlich enttäuscht, dass ich mir den Hintern aufgerissen habe, um eine gute Wahlleitung zu machen, dass ich den schweren Gang antreten und vier Leuten telefonisch + persönlich mitteilen musste, dass sie doch nicht gewählt wurden, dass ich mich dermaßen gestresst habe, dass ich nach der AV erstmal zwei Wochen flach lag… und wofür? Damit jetzt raus kommt, dass der Vorstand vor der Aufstellungsversammlung eine Gutachter-Einschätzung hatte, “dass Ding wird ungültig sein”?

Na vielen Dank auch!

Am meisten aber enttäuscht mich, das kein Vorstandsmitglied den gesunden Menschenverstand oder die Eier hatte, dieses Gutachten offen zu legen. Die Liste sähe verdientermaßen anders aus. Meinem bescheidenen Blickwinkel nach haben hier Personen ihre Karriere und ihr eigenes Wohl über die Ziele des Amtes gestellt, in das sie gewählt wurden. Man kann über vieles diskutieren, aber diesen “Verrat” an den eigenen Idealen und der Partei, die einen in das Amt gebracht haben, hätte ich eher bei Altparteien vermutet. Sicher jedoch nicht in unserer Mitte.

UPDATE 31.03.2013

Die bugsierine hat gebloggt und ich habe dort geantwortet… (oh! “Dein Kommentar muss noch moderiert werden.” ich poste es mal hier rein…)

Hmmm… “grotesk”… lecker! Vorsicht bei der Wortwahl!

Du findest, dass mein Blogpost (http://www.marsching.de/2013/03/30/ueber-ein-gutachten/) beschimpfend ist? Glaub mir, liebe Stephy, das ist die dreimal entschärfte Version, da kann von beschimpfen keine Rede mehr sein. Ich habe mit dem Einzug in den Landtag und dem neuen Vorstand so viele Hoffnungen verbunden – beide haben anfangs enttäuscht, aber die Fraktion hat sich weiterentwickelt… der Vorstand geht statt dessen bei jedem Problem drei Schritte zurück.

Wer wenn nicht ich – außer vielleicht noch Achim Müller – weiß, wie überlastet man als Vorstand sein kann. Ich habe ein Vierteljahr Entwicklung meines Kindes völlig verpasst, obwohl ich viel davon “zu Hause” war. Trotzdem haben wir noch die Arbeit im Vorstand gemacht. Wir haben nicht immer die richtigen oder “gute” Entscheidungen getroffen – aber wenigstens haben wir etwas entschieden.

Zudem war ich einer der Wenigen, die sich schon 2011 in Soest für die Bezahlung von Vorständen ausgesprochen haben. Ich bin iirc das einzige Vorstandsmitglied, dass seine Fahrtkosten zurückgefordert hat aus der Logik, dass ich in der Parteizeit eben kein Geld verdienen kann. Minus und Minus ergibt eben auf dem Konto nicht Plus! Ich weiß das! Das ich auf mein Geld über ein Jahr warten musste ist eine andere Geschichte…

Das alles hat aber GAR NIX mit dem Gutachten zu tun. Auch nicht mir der Veröffentlichung. Die kostet 2 Minuten Zeit. Oder einen Tweet weniger schreiben. Oder ein Funpic weniger bei Facebook. Das ist keine Entschuldigung!

Ich möchte aber noch deine Frage beantworten, was wäre wenn: Wäre das Gutachten korrekterweise am 22.1. veröffentlicht worden, hätten wir nach der AV mehr Anfechtungen gehabt. Die Leute wären auf die Barrikaden gegangen. Sie hätten evtl. geklagt und DANN hätten wir Rechtssicherheit gehabt. Kein informatiker, der es besser weiß als studierte Juristen (das trifft dann auch auf mich zu!) und keine Rechtsabteilung, die sich unsicher ist. Wir hätten evtl. die AV wiederholt und eine neue Liste gewählt. So wie es jetzt auch möglich erscheint. Mit dem Zurückhalten habt ihr nichts verbessert.

Sicher ist nur: nicht ist sicher – und sicher nicht sicherer!

79 Comments

  1. bubububu30. März 2013

    +1

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  2. Andre Kasper30. März 2013

    Moin Michele
    Ich stimme Dir weitestgehend zu. Nicht beurteilen kann ich allerdings, ob die AV ungültig ist.
    Den gesetzlichen Ansprüchen an eine AV wurde genüge getan. Die eigene Satzung allerdings hätte gefordert, dass diese im Rahmen eines LPT stattfindet und dieser hätte wieder andere Fristen erfordert.

    Nun stellt sich die Frage, welche Folgen es hat, wenn die AV aus politischen und gut kommunizierten Gründen NICHT im Rahmen eines LPT stattgefunden hat. Das Gutachten sagt es im Grunde: Es ist nicht absehbar, wie darüber geurteilt würde, deshalb hätte man den sicheren Weg gehen sollen, und dieser war: AV im Rahmen eines LPT und einfach entsprechende Stimmkarten für den AV Teil, so dass beiden Anforderungen genüge getan würde. Ist nicht gemacht worden.

    Aber ist deshalb die AV ungültig ? Ich kann dies einfach nicht beurteilen. Es könnte sein, aber das müsste wer feststellen ? Wer dürfte das feststellen ? ist es nur ein parteiinternes Problem, sprich solange hier keiner klagt ist alles okay, oder könnte auch der Wahlleiter einwände erheben, obwohl doch der gesetzlich vorgegebene Teil erfüllt wurde ?
    Ich bin kein Jurist. Meine Einschätzungen basieren auf Erfahrungen, aber nicht auf Wissen. Instinktiv würde ich behaupten, dass nur die Parteimitglieder selbst die Versammlung für ungültig erklären könnten. Hierzu gibt es aber noch eine Falle:
    Jemand der eingeladen und anwesend war und keine Einwände vor Ort erhoben hat, kann die Sitzung im Nachhinein nicht für ungültig erklären lassen. Hier gibt es entsprechende Urteile bei nicht eingehaltenen Einladungsfristen. Ähnlich könnte es sich bei uns verhalten. Ich glaube und hoffe, dass die Formalprobleme nich automatisch zur ungültig führen, sondern heilbar sind. Schwierigkeiten gibt es vermutlich erst, wenn jemand der NICHT anwesend war Einwände erhebt. Hier stellt sich dann die Frage der Verfristung.

    Ich hoffe, dass wir ohne Wiederholung mit einem blauen Auge davon kommen. Was den Vorstand angeht, insbesondere Alex und Stephanie hast Du denke ich alles gesagt. Ihr verhalten ist im Grunde sogar PAV würdig. (Schwerer Verstoß gegen Grundsätze und Ordnung der Partei mit schwerem Schaden.)

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  3. Spiff30. März 2013

    Trocken auf den Punkt gebracht. Zu Ergänzen ist lediglich, daß dieser Vorstand seine ganze Amtszeit hindurch so gehandelt hat, also Dinge verschleppt, ausgesessen und unterschlagen hat, um ja nicht die eigenen Chancen auf ein Bundestagsmandat zu mindern. Dies ist jetzt bloß der Fall, der zu offensichtlich ist, als daß man ihn noch irgendwie schön reden könnte.
    Im übrigen sind diejenigen, die da jetzt reumütig bitten zurücktreten zu dürfen, dieselben, die diese Möglichkeit Klaus Hammer verwehrt haben.

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  4. Puck.15230. März 2013

    Weil’s noch niemand erwähnt hat: https://wiki.piratenpartei.de/Datei:BSG_2013-01-19.pdf

    Ist nur eine vorläufige Meinung aber …
    Im Weiteren wundere ich mich über den Zeitpunkt der Veröffentlichung, der so praktisch nach der Anrufungsfrist liegt, § 8 Abs. 4 SGO, https://wiki.piratenpartei.de/Satzung#.C2.A7_8_-_Anrufung

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    1. acepoint30. März 2013

      @Puck.152 Es gilt das »Bekanntwerden«. Also vorgestern, oder so.

      Antworten
      1. Puck.15231. März 2013

        siehe unten

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  5. […] mmarsching: Über ein Gutachten […]

    Antworten
  6. Wir leben nicht in einem RechtsStaat – sondern einem RechtsWEGEstaat.
    Und Juristen machen das zu einem RechtsWEGELAGERER-staat.

    Daß die Top-BTW13 Kandidaten von #AvPAMPA dann Juristen sind – http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Landesparteitag_2013.1/Ergebnisse – spricht GesetzesNovellenBände.

    RECHTSCHAFFENHEIT – wäre viel besser!!! Also
    1. Wahl wiederholen (Zeit genug).
    2. PAV oder zumindest 1-2 Jahre FunktionsAusschluß für Vorstand, beteiligte KANDIDATEN (1-3 RA)
    3. EidesStattliche Verpflichtung des LaVo auf Transparenz mit klarer Definition (zB Gutachten-Veröffentlichung einschließend).

    Aus Angst vor Bächen von Tränen fange ich gar nicht an zu lachen. Oder andersrum.

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  7. Puck.15231. März 2013

    @acepoint

    Und wenn Du mir erklärst, inwieweit das Zurückhalten und/oder die Veröffentlichung einer Rechtsmeinung Dich oder irgendwen (außer vielleicht den Autor) in seinen Rechten verletzt, können wir anfangen zu reden.

    Auf die AV selber hat der Veröffentlichungszeitpunkt sicherlich keine Auswirkungen, da eine Rechtsmeinung (leider) nicht geeignet ist Dellen in die Realität zu schlagen.

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  8. […] an dieser Stelle erstmal nicht, vor allem weil der Kollege Marsching schon vieles geschrieben hat. Oder lest den Beitrag vom XtraTobi. Auch unser ehemaliger Landespressesprecher hat viel […]

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    1. Tuku, Ömer31. März 2013

      Liebe Freunde,
      mir ist bekannt, dass Gedanken, die gut sichtbar sind, nicht gern gesehen sind. Aber Transparenz ist für die Piraten etwas Grundsätzliches, daran darf nicht gerüttelt werden.

      Michaele offene Gedanken geben mit Mut und Zuversicht weiter in den Reihen dieser Partei für Transparenz, Bürgerechte und andere Politik mitzuwirken.
      Das Land braucht mehr Politiker u.a. wie zum Beispiel Daniel, Kai, Dietmar, Michaele.

      In eigenen Interesse müssen die Verantwortlichen im LV NRW, besonders Alexander, sollten ihre Sünden beichten und zurücktreten. Eine ehrliche Beichte war stets eigennützig.

      Ein Wort genügt: ZURÜCKTRETEN!

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  9. […] Die innerparteiliche Kritik nach Bekanntwerden des Vorfalls ist groß. So schreibt Michele Marschig, Landtagsabgeordneter in NRW, in seinem Blog: […]

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  10. […] ich habe 2 Wochen vor dem Termin die Einladung versendet, jedoch an einem Sonntag und auch da hat Michele Marsching mich auf den Formfehler aufmerksam gemacht. Wir haben unsere Aufstellungsversammlung durchgeführt, […]

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  11. Duke2. April 2013

    Ich kann dir da nur zustimmen.
    Wir wissen alle, dass eine Veröffentlichung eventuell zu einem höheren Arbeitsaufwand geführt hätte. Aber wer, wenn nicht wir, nimmt so etwas in Kauf um Transparenz zu leben.

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  12. […] und schreibe meinen ersten Beitrag dazu. Im Laufe des Wochenendes folgen Blogposts u.a. von Michele Marsching und Daniel Düngel, beide MdL im Landtag NRW. Beide finden ebenso deutliche Worte wie […]

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