Leserbrief: Stahlgebadete Vollprofis

Ulrike Posche schreibt im STERN 46/12 unter der Überschrift “Mensch, Schlömer, dann heul doch” in ihrer Kolumne:

(Zusammenfassung, ich versuche Zitate zu vermeiden):

  • Ich habe lieber Profis in der Politik als empfindsame Weicheier
  • an Politikern sollte alles abprallen, sie sollten knallhart sein, wie Merkel
  • die eigene Befindlichkeit muss hinten an stehen in der Politik
  • Bernd Schlömer würde zu oft über die Lasten des Amtes heulen
  • Schlömer hätte ein Bällebad erwartet und ein Stahlbad bekommen
  • Vollprofis blieben nie lange bei schlechten Gefühlslagen
  • Vollprofis seien “Gesellschaftsexperten” und verträten gnadenlos eigene Ideen
  • Schröder habe auch viel Gegenwind bekommen, unter dem wäre Schlömer zusammengebrochen
  • Steinbrück sei auch so ein Harter, klare Worte, klare Kante
  • “richtige” Politiker seien klar abgrenzbar, die PIRATEN dagegen eine Soße
  • nur wer wirklich Lust an der Auseinandersetzung habe, sollte Politiker werden

Wie mich jedes Wort dieser Kolumne ankotzt! Sie ist der Auslöser für meine neue Blog-Kategorie “Leserbriefe”, sie hat mich so wütend gemacht, dass ich Stundenlang an einer Antwort feilen musste, die sachlich bleibt und eine Gegenanalyse darstellt. Hier also ist sie:

beim-Klabautermann.de

Sind wir wirklich schon so weit? Müssen Politiker Maschinen sein, die einfach funktionieren, gewissenlos, freudlos, leidlos? Ist so etwas das Idealbild eines Politikers in Deutschland. “[…] die eigene Befindlichkeit hinter das Wohl des Volkes zu stellen”? Hat uns nicht gerade diese Art der Politik da hingebracht, wo wir jetzt stehen? Simple Zahlentheorie statt Menschlichkeit, Optimierung der Wirtschaft statt Optimierung des Sozialstaates? Nur “für die Menschen” statt “mit den Menschen”?

Ich bin in die Politik gekommen, weil ich ein ureigenes Ziel hatte – meine Vision eines besseren Lebens, einer besseren Gesellschaft. Jeder Politiker fängt einmal so an. Wer das nicht macht, ist einfach nur geil auf die Macht, auf die Posten, auf den Einfluß. Das möchte ich keinem Menschen unterstellen…

Ich habe eigene Gefühle, ich heule wenn ich rührende Momente fühle, wenn in Berlin bei einer Führung über den zweiten Weltkrieg der Amerikaner neben mir seine Mutter vom Handy aus anruft und ihr sagt, wie toll es in Deutschland ist. Wenn ich lese wie selbstlos manchen Menschen sich für Verbesserungen in ihrem Heimatland einsetzen und dafür Leib und Leben riskieren. Wenn ich sehe, wie blind und dumm Politik sein kann bei der Einführung von Überwachungsmaßnahmen und Verboten. Gerne diskutiere ich mit ihnen einmal durch, warum Computer nicht die besseren Entscheidungen treffen und Kameras nicht die Sicherheit erhöhen.

Ich habe Befindlichkeiten, ich bin enttäuscht, wenn ein guter Antrag nicht drankommt oder abgelehnt wird, ich bin traurig, wenn gute Arbeit am Ende in belanglosen Sex-Tweets untergeht. Na und? Ich bin ein Mensch und keine Maschine! Ich bin ehrgeizig und reizbar, ich renne schreiend aus Sitzungen und komme später gesenkten Hauptes wieder rein…

Das alles gehört dazu, das alles macht uns Politiker aus, das alles macht uns PIRATEN aus, das alles macht uns Menschen aus. Wer lieber Maschinen als Politiker hätte, kann ja Computer in den Bundestag setzen.

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