Über Lobbyismus in der Politik

Aus aktuellem Anlass, weil es gestern im mumble Thema war, veröffentliche ich folgende Gedanken einfach mal „frühreif“:

Vor kurzem erhielt ich durch „Presse-Konsortium“ die Einladung, an einer nicht-öffentlichen Gesprächsrunde teilzunehmen, die aktuelle Standpunkte der Piratenpartei erklären soll. Zunächst habe ich diese Anfrage abgelehnt, da mir verweigert wurde weitere Piraten zu diesem Treffen mitzubringen. Eine Liste der Teilnehmer sollten wir erst dann zu kommen, wenn ich schriftlich versichere diese Liste nicht zu veröffentlichen.

Dies ist sicherlich nicht der erste Kontakt mit Lobbyisten, aber bei weitem der krasseste. Kurz nach der Berlinwahl begann das große Wettrennen auf den Vorsitzenden dieser bis dato unglaublich unwichtigen Piratenpartei in NRW. Es begann mit einer Vertreterin der Ärzteschaft auf dem Stammtisch in Düsseldorf, zog sich über eine Springer-Repräsentantin bis hin zu einem Anruf eines Interessenvertreters der Zigarrenherstellenden Industrie.

beim-Klabautermann.de

Auch im so genannten Tracker, dem E-Mail-Beantwortungsprogramm des Vorstands trafen auf einmal Einladungen zu den verschiedensten Diskussionsrunden und Treffen ein. Am bekanntesten dürfte hier das Beispiel des Bayer-Sprechers zu sein, der mich zu Canapes in die Konzernzentrale einlud. (Zur Info: dieses Treffen habe ich nicht wahrgenommen)

Ich dachte, dass wir als Piraten mit diesen Interessenvertretern (Lobbyisten) keine Gespräche führen sollten. Nach mehreren verschiedenen Runden unter Piraten habe ich jedoch meine Meinung kürzlich geändert:
Ich werde in Zukunft auf solche Gesprächsangebote eingehen, jedoch sofort und unmissverständlich klar machen, dass ich nicht bereit bin hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. Wer mit mir ein Gespräch beginnen möchte muss damit rechnen, dass zumindest ein Ausschnitt des Ganzen im Internet als Protokoll landet.

Lobbyismus an sich ist nichts schlechtes! Interessenvertretung ist eigentlich sogar das wichtigste, was Politik überhaupt ausmacht. Wir alle sind in die Politik gegangen, um persönliche Ziele zu erreichen oder um uns in einem bestimmten Bereich politisch zu verwirklichen. Gespräche mit den Vertretern der Industrie sind dabei nur die logische Konsequenz, um herauszufinden, was verschiedene gesellschaftliche Gruppen wollen. Ein Gespräch mit dem E-Zigaretten-Rauchern ist gleichzeitig ein Gespräch für die E-Zigaretten-Hersteller. Ein Gespräch mit der „free software foundation europe“ ist gleichzeitig ein Gespräch gegen die Hersteller von closed source.

Bei einigen Piraten mag dieses Vorgehen auf Kritik stoßen. Bei unseren Gesprächen mit der Bonner Akademie in einer Woche werden zwei Vertreter der Partei zugelassen. Wir dürfen dabei die Arbeitsweise und das Denken der Piratenpartei vorstellen. „Wir“ sind in diesem Fall Marina Weisband und ich. Jetzt schon gab es Beschwerden, warum der Vorsitzende der Piratenpartei NRW zu diesem Treffen erscheinen muss und nicht irgendein x-beliebiger Basispirat diese Aufgaben übernehmen kann. Ich stelle die Gegenfrage: warum sollte man den Wünschen der Wissenschaftler in diesem Fall widersprechen? Warum anders sein wollen? Oder macht es nicht vielleicht Sinn, diejenigen dorthin zu schicken, die sich beinahe täglich über Ziele und Methoden der Piratenpartei unterhalten und auch schwierigen Fragen nicht ausweichen müssen?

Die Vertreter der Wissenschaft und die Vertreter der Lobby sind in ihrem Denken vielleicht ein wenig zurück, aber wenn gewünscht ist, dass ein Amtsinhaber innerhalb der Partei zu Ihnen kommt um zu erklären, was wir Piraten wollen, dann sollten wir Ihnen diesen Spaß doch gönnen. Ich werde daher alle Einladungen die mich bis dato erreicht haben versuchen noch in dieser Amtszeit anzunehmen. Ich werde über jedes einzelne Gespräch in diesem Blog unter dem entsprechenden Tag einen Kurzbericht verfassen. Wer danach der Meinung ist, dass ich als Aufgabenbewältiger ungeeignet bin, der kann mich auf den nächsten Parteitag ja abwählen, sofern ich mich noch einmal zur Wahl stellen sollte!

3 Comments

  1. […] Eine politische Alternative, die sich gegen Parteien- Lobbyismus- und Vetternwirtschaftsfilz durchsetzt, ist aber in einer korrupten, verlotterten Republik undenkbar. Schauen wir uns doch mal eine der aktuellen Alternativen an: die Piratenpartei. Sie klärt uns gerade aktiv darüber auf, wie Politik in Deutschland funktioniert – aktuell am Beispiel des Vorsitzenden in NRW: […]

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  2. Sibylle Ringlstetter18. März 2012

    Wenn man das Rückgrat hat und “unbestechlich” ist, dann ist es wohl die sinnvollste Vorgehensweise. Man setzt sich zwar mit der Industrie usw. auseinander veröffentlicht aber die Gespräche. Um so mehr wird Lobbyismus deutlich. Ein Hoch auf die Piraten wenn sie das durchhalten können!

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  3. C. Wolff21. März 2012

    Meine dringende Empfehlung: Auf gar keinen Fall alleine zu solchen Treffen gehen, niemals. Zu zweit ist auch zu wenig. Anschließend alle wichtigen Gesprächspunkte veröffentlichen, aber wirklich ohne Ausnahme (bis auf rein private Nebensächlichkeiten natürlich). Selbst auf die Gefahr hin, dass es hinterher seitens der Gesprächspartner aus der Industrie zu entspr. bösen Kommentaren (“im vertraulichen besprochen und dann sowas…!”) kommt! Denn nur so kann erstmalig in Deutschland ein deutliches Signal gesetzt werden, dass die Piraten ihr Programm für Transparenz und gegen Filz & Vetternwirtschaft auch tatsächlich konsequent durchziehen und diese Punkte eben keine bloßen Sprüche sind, welche über kurz oder lang dem Politikbetrieb zum Opfer fallen.

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